Salzburg in den 1920er Jahren: Die Stadt summte von Gerüchten, denn auf der mondänen Villenstraße Aigen spielte sich eine Liebesgeschichte ab, wie sie die feine Gesellschaft selten gesehen hatte. Im Zentrum: der verwitwete Marineoffizier Georg Ritter von Trapp, hochdekoriert, stattlich, streng – und eine junge Novizin namens Maria Kutschera, die eigentlich nur für kurze Zeit als Erzieherin ins Haus gekommen war. Was als nüchterner Auftrag begann, wurde zur größten Liebesaffäre der Stadt und später zur Vorlage für ein weltberühmtes Musical.
Man stelle sich das Bild vor: Die Villa Trapp, eine elegante Residenz am Rande Salzburgs, umgeben von gepflegten Gärten. Drinnen eine große Familie, sieben Kinder, deren Mutter früh verstorben war. Der Hausherr, ein Mann, der das Meer gesehen hatte, die Offiziersuniform trug wie eine zweite Haut, und der mit strenger Hand, aber gutem Herzen sein Haus führte. In diese Welt trat Maria, eine junge Frau, die fast Nonne geworden wäre. Sie kam, um die kleine Tochter Maria Franziska zu unterrichten, und sollte nach wenigen Monaten wieder ins Kloster zurückkehren. Doch das Schicksal hatte andere Pläne.
Bald sprach man in der Stadt von dieser ungewöhnlichen Hausgemeinschaft. Die Novizin war nicht wie die Gouvernanten vor ihr. Sie brachte Leben ins Haus, Lachen, Musik. Bald sang die ganze Familie gemeinsam, nicht nur am Klavier, sondern auch auf Ausflügen, bei Festen. Und mit jedem Tag wuchs nicht nur die musikalische Harmonie, sondern auch die Zuneigung zwischen Maria und dem Kapitän.
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Die Nachbarn tuschelten. „Habt ihr schon gehört?“, raunte man sich beim Einkaufen am Kajetanerplatz zu. „Der alte Trapp – der hat sich in die Gouvernante verliebt!“ Für manche war das ein Skandal: ein hochdekorierter Offizier, der sich eine einfache Lehrerin, eine angehende Nonne, ins Haus holte – und dann auch noch heiratete! Für andere war es eine romantische Geschichte, wie sie schöner kaum sein konnte.
Denn tatsächlich machte Georg von Trapp Maria einen Heiratsantrag. Und sie, die sich ihr Leben im Kloster vorgestellt hatte, sagte Ja. Das sorgte für Gesprächsstoff in ganz Salzburg. Die Zeitungen berichteten zwar nicht offen darüber, doch in den Salons der Stadt war es ein heißes Thema. Manche fragten sich, ob es sich für eine Frau, die beinahe eine Nonne geworden wäre, ziemte, in eine wohlhabende Familie einzuziehen. Andere schwärmten von dem Mut dieser jungen Frau, die ihrem Herzen folgte.
Doch damit nicht genug: Die von Trapps wurden bald nicht nur durch ihre Ehe bekannt, sondern auch durch ihre Musik. Gemeinsam mit Maria formte die Familie einen Chor, der in Salzburg Aufsehen erregte. Man lud sie ein, bei Festen zu singen, bei kirchlichen Anlässen, später sogar bei Konzerten. Bald war die „Trapp-Familie“ in aller Munde. Was einst als private Hausmusik begonnen hatte, wurde zu einer Sensation.
Die Gesellschaft reagierte gespalten. Manche fanden es großartig, dass eine adelige Familie öffentlich auftrat und Volkslieder sang. Andere rümpften die Nase – das gehörte sich doch nicht für Leute von Stand! „Das ist doch fast wie Zirkus!“, soll eine ältere Dame aus dem Aigner Villenviertel geschimpft haben. Aber die Begeisterung der Salzburger wuchs. Die Trapps waren charmant, musikalisch, sympathisch – und sie verkörperten etwas, das man nach dem Ersten Weltkrieg dringend brauchte: Zusammenhalt, Hoffnung, Freude.
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Als der politische Druck in den 1930er Jahren wuchs und die Nationalsozialisten in Österreich die Macht übernahmen, weigerte sich Georg von Trapp, für Hitler zu arbeiten. Das machte die Familie zu Außenseitern und zu heimlichen Helden. Auch darüber sprach man in der Stadt – diesmal leiser, vorsichtiger. Man wusste, dass der Kapitän Aufträge und Geld ablehnte, die andere nur zu gerne angenommen hätten.
Und dann kam der große Aufbruch. Die Familie verließ Salzburg, floh aus Österreich, erst nach Italien, später in die USA. Dort setzten sie ihre musikalische Karriere fort, traten auf Bühnen auf, wurden berühmt. In Salzburg aber blieb die Geschichte lebendig. Die Leute erzählten sich, wie die singende Familie über die Berge geflohen sei – auch wenn diese Flucht in der Realität eher mit dem Zug als mit dramatischen Alpenüberquerungen stattfand.
Die Legende war geboren. Jahre später schrieb Maria von Trapp ihre Erinnerungen nieder, und daraus wurde das Musical The Sound of Music. Und nun wurde aus dem lokalen Klatsch ein weltweiter Mythos. Millionen sahen die Geschichte der jungen Novizin, die den Kapitän heiratete und mit ihm und den Kindern singend vor den Nazis floh. Plötzlich war Salzburg nicht mehr nur die Stadt Mozarts, sondern auch die Stadt der Trapp-Familie.
Heute pilgern Besucher aus aller Welt zu den Schauplätzen dieser Geschichte: zum Mirabellgarten, wo die Kinder in der Filmversion fröhlich über die Treppen springen, zur Villa Trapp, die noch immer besichtigt werden kann, und hinaus an den Mondsee, wo die berühmte Hochzeitszene gedreht wurde. Und wenn man dort steht, dann hört man sie fast, die Stimmen, die einst in den 1920er Jahren die Nachbarschaft in Aufruhr versetzten.
Die Affäre zwischen Georg von Trapp und Maria Kutschera war mehr als nur ein Liebesabenteuer. Sie war ein Wendepunkt für eine Familie, für eine Stadt, vielleicht für eine ganze Epoche. Sie war ein Skandal, ein Märchen, ein Stück Musikgeschichte. Und sie machte Salzburg zur Bühne für eine der größten Liebesgeschichten der Welt.
