Wer heute durch Salzburgs barocke Altstadt schlendert, die Türme des Doms im Licht der Sonne glänzen sieht und den Duft der Mirabellgärten einatmet, begegnet unweigerlich einem Mann, dessen Vision diese Stadt für immer geprägt hat: Wolf Dietrich von Raitenau. Er war nicht nur Fürsterzbischof, sondern ein Herrscher von fast unbändiger Energie, ein Mann, der Salzburg aus dem Mittelalter riss und es in eine barocke Glanzzeit führte. Doch hinter den Fassaden der prachtvollen Bauten, die er errichten ließ, verbirgt sich auch die Geschichte eines Mannes voller Leidenschaft, Widerspruch und geheimer Sehnsüchte.
Wolf Dietrich wurde 1559 in Horb am Neckar geboren und stammte aus dem angesehenen Geschlecht der Raitenau. Schon früh zeigte sich sein Ehrgeiz. Er studierte in Rom und Padua, atmete die Atmosphäre der italienischen Renaissance, wo Kunst und Macht Hand in Hand gingen. In Rom sah er die großen Plätze, die majestätischen Fassaden, die klaren, weitläufigen Achsen der Stadt – und er kehrte zurück mit einer Vision: Salzburg sollte nicht länger ein verschachteltes mittelalterliches Bischofsstädtchen sein, sondern eine Bühne, auf der der Glanz der katholischen Kirche leuchtete wie nie zuvor.
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Als er 1587 zum Fürsterzbischof gewählt wurde, war er gerade einmal achtundzwanzig Jahre alt. Von diesem Moment an begann er zu bauen, als ginge es darum, der Ewigkeit selbst seine Handschrift aufzudrücken. Wolf Dietrich ließ den alten, romanischen Dom abreißen – ein Schritt, der damals gewagt, ja fast skandalös war – und beauftragte den Bau eines neuen, prachtvollen Doms, wie man ihn aus Italien kannte. Auch wenn er den fertigen Bau selbst nie sehen sollte, war es sein Entschluss, der den Grundstein für das heutige Wahrzeichen Salzburgs legte.
Doch Wolf Dietrich war nicht nur Bauherr, er war ein Mann mit Sinn für Schönheit in all ihren Formen – und dazu gehörte auch die Liebe. Seine Geliebte, die Kaufmannstochter Salome Alt, war die Frau, die sein Herz gewann, obwohl er als geistlicher Fürst zur Keuschheit verpflichtet war. Ihre Beziehung war ein offenes Geheimnis, und er scheute sich nicht, ihr ein Schloss bauen zu lassen, das heute noch zu den schönsten Orten Salzburgs zählt: Schloss Mirabell. Wer durch den Mirabellgarten geht, die barocken Figuren betrachtet und den Blick auf die Festung Hohensalzburg genießt, der steht mitten in einer Liebesgeschichte, die vor Jahrhunderten begann.
Diese Liebe war jedoch nicht ohne Folgen. Salome schenkte Wolf Dietrich mindestens fünfzehn Kinder, von denen viele überlebten. Er versorgte sie großzügig, verschaffte ihnen Stellungen und Besitz, doch die Verbindung brachte ihn auch in Konflikt mit der Kirche und seinen politischen Gegnern. Für manche war er ein Visionär, für andere ein Despot, der zu viel wagte.
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Wolf Dietrich war ein Mann, der Macht nicht nur ausübte, sondern verkörperte. Sein Blick war nach vorn gerichtet, seine Gesten groß, sein Stil italienisch, beinahe verschwenderisch. Er ließ Plätze begradigen, Straßen verbreitern, die Stadt sollte geordnet, hell und repräsentativ sein. Salzburg sollte Rom des Nordens werden. Sein Wirken legte den Grundstein für jenes barocke Juwel, das noch heute Besucher aus aller Welt in seinen Bann zieht.
Doch so glänzend sein Werk, so dramatisch war sein Fall. In einem politischen Konflikt mit Bayern und mit seinem eigenen Kapitel verlor er schließlich die Macht. 1612 wurde er gefangen genommen und auf die Festung Hohensalzburg gebracht – ausgerechnet jene mächtige Bastion, die bis heute über der Stadt thront. Dort saß er wie ein Gefangener in einem Turm, ein Mann, der einst die Stadt beherrscht hatte, nun eingesperrt hinter dicken Mauern.
Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er auf Schloss Hohenwerfen, wo er unter Bewachung lebte. Man erzählt sich, er habe noch immer nach Salome gefragt und bis zuletzt Pläne geschmiedet, wieder in die Freiheit zu gelangen. Doch er starb 1617, ohne seine Stadt je wiederzusehen.
Sein Geist aber blieb. Wer heute Salzburg besucht, spürt ihn noch: in den klaren Achsen der Plätze, in der Eleganz der Kirchenfassaden, im leuchtenden Weiß des Doms. Die Stadt trägt sein Siegel, und vielleicht ist es gerade dieser Widerspruch – ein geistlicher Fürst, der eine Familie hatte, ein Mann der Kirche, der die Welt liebte –, der Salzburg so lebendig macht.
Wolf Dietrich von Raitenau war kein Heiliger, aber er war ein Visionär. Seine Geschichte ist die Geschichte eines Mannes, der das Mittelalter hinter sich ließ, der für seine Liebe und seine Stadt alles riskierte und der uns eine Stadt hinterließ, die auch Jahrhunderte später noch wie eine Bühne wirkt, auf der Himmel und Erde sich begegnen.
Wenn also das Abendlicht auf den Mirabellgarten fällt, wenn Musik aus einem offenen Fenster klingt und die Kuppel des Doms golden schimmert, dann ist es, als flüstere Wolf Dietrich der Stadt noch immer zu: „Seid schön, seid stolz, seid barock.“ Und Salzburg gehorcht, jeden Tag aufs Neue.
